Übergewicht: 1 Kcal = 1 Kcal … oder?
Übergewicht ist auf dem Vormarsch. Zwischen 1970 und 2010 gab es weltweit(!) eine Zunahme der Fettleibigen an der Gesamtbevölkerung um 40%. Tatsache ist zwar, dass es Fettleibigkeit immer schon gegeben hat – schon vor Coca-Cola, McDonald´s, Burger King und Kebap-Buden, doch die Verantwortung für eine solche Explosion der Anzahl der Betroffenen kann wohl kaum in der Eigenverantwortung der selbigen alleine liegen. Immerhin gibt es in den USA aktuell sogar eine Epidemie an fettleibigen sechsmonatigen Babys. Spätestens hier geht das Argument, man ist für sein Gewicht selbst verantwortlich und wäre nicht so fett, wäre man einfach nur nicht so faul und undiszipliniert, ins Leere.
Doch warum sind wir heute so fett?
Die Antwort ist einfach: Umwelteinflüsse. Die bekanntesten Faktoren, die sich gewandelt haben sind dabei das Ess- und Trink- sowie das Bewegungsverhalten. So hat sich Essen in Richtung Fast Food verschoben – billig, transportabel, rund um die Uhr und überall verfügbar und äußerst lecker, sodass wir immer größere Portionen essen. Dazu kommt, dass statt Wasser Kalorienbomben in Form von Fruchtsäften, Softdrinks, alkoholischen Getränken oder dem neuesten Hype, Bubble Tea, konsumiert werden. Statistiken zeigen beispielsweise, dass 10jährige in den USA heute täglich um 275 kcal mehr zu sich nehmen als früher. In Körperfett ausgedrückt würde sich das auf mehr als ein Kilo pro Monat summieren.
Bewegung ist gleichzeitig zur Mangelware verkommen. Wir legen zwar deutlich weitere Strecken als früher zurück, statt zu gehen oder Rad zu fahren sitzen wir dabei aber nur stundenlang im Auto. Treppen sind Rolltreppen und Liften gewichen und unser Schreibtischtäter- und Couch-Potato-Dasein trägt ebenfalls seinen Teil zur Expansion des durchschnittlichen Bauchumfanges bei.
So weit, so bekannt. Interessiert an der Enthüllung eines weiteren extrem schädlichen Umweltfaktors? Bitteschön: Die Aussage: „Eine Kalorie ist eine Kalorie.“ Oder anders ausgedrückt: Isst man mehr, als man verbrennt, nimmt man zu. Verbrennt man mehr Kalorien als man isst, nimmt man ab. Dabei ist es egal, ob die Kalorien von Karotten oder Kuchen kommen. Eine Kalorie ist und bleibt eine Kalorie. Ist man zu dick, isst man zu viel und/oder bewegt sich zu wenig.
Genau diese Erklärungen sind das Erste, das jeder Ernährungs-, Medizin- oder Fitnessexperte zum Thema Gewichtsmanagement in seiner Ausbildung lernt. Wahrscheinlich sind auch Ihnen Darbietungen wie diese geläufig. Wo bleibt also große Enthüllung? Ganz einfach: Diese Aussagen stimmen heute so nicht mehr.
Zwar ist die Behauptung, dass eine Kalorie eine Kalorie ist mathematisch völlig korrekt, nur handelt es sich bei unserem Körper nicht um eine mathematische Gleichung, sondern um ein biologisches System. Und da gelten ganz andere Gesetzmäßigkeiten, die in den letzten Jahren auch immer tiefergehender erforscht wurden. So haben unsere Hormone großen Einfluss darauf, was mit den aufgenommenen Kalorien passiert.
Leptin beispielsweise signalisiert dem Gehirn weniger zu essen, mehr Kalorien zu verbrennen (speziell Fettkalorien) und den Blutzucker zu optimieren. Es limitiert also wie viel man isst, und lässt einen spontan bewegen. Weil Leptin von den Fettzellen selbst produziert wird, ist der Leptinspiegel umso höher, je mehr Fettgewebe man mit sich herumträgt.
Hormonspiegel und Kalorien
Aber wie passt jetzt ein hoher Spiegel eines Hormones, das einen Kalorien verbrennen lässt, mit Übergewicht zusammen? Ganz augenscheinlich kommt das Signal, das vor 30 Jahren noch funktioniert hat, bei Übergewichtigen heute nicht mehr im Gehirn an. Man nennt diesen Zustand Leptin-Resistenz. Den Grund für Leptin-Resistenz aufzudecken ist demnach der Schlüssel, den es zu finden gilt.
Und glücklicherweise wurde der Schlüssel kürzlich auch entdeckt: Es handelt sich um Insulin, das einzige Hormon, das den Blutzuckerspiegel senken kann. Unser Körper ist allerdings evolutionsbedingt nur auf gemächliche Blutzuckeranstiege vorbereitet, steigt der Blutzucker schnell, wird Insulin im Übermaß ausgeschüttet. Der Körper setzt sich – ähnlich einem insulinpflichtigen Diabetiker – einen Insulin-Schuss. Effekt ist, dass ein Teil der soeben aufgenommenen Energie in (Bauch-)Fett umgewandelt wird, noch bevor der Körper die Chance hat, diese Energie zu nutzen. Nicht nur, dass dadurch der Bauchumfang quasi in Echtzeit zunimmt, holt sich der Körper die nicht für den Stoffwechsel nutzbare Energie wieder zurück, indem man rasch wieder Hunger bekommt (und nicht indem das gespeicherte Fett verbrannt wird). Damit geht die Rechnung 1 Kcal = 1 Kcal nicht mehr auf.
Was aber hat das mit Leptin zu tun? Ganz einfach, neuere Forschungen konnten zeigen, dass Leptin im Gehirn durch Insulin geblockt wird. Je höher der Insulinspiegel also, desto mehr Energie wird in Form von Fett gespeichert während man gleichzeitig umso hungriger wird. Ungünstige Kombination, oder?
Wahrscheinlich denken sie jetzt, dass Sie sich für gewöhnlich keine Insulinspritze setzen und die Ausführungen deshalb für Sie nicht relevant sind. Vielleicht doch, denn solch ein Insulinschuss wird bei unserer heutigen globalen, industrialisierten Ernährung weit häufiger ausgelöst, als man sich bewusst ist.
Ist Fett die Ursache?
In den 70er Jahren wurde nämlich fälschlicherweise Fett als Verursacher für Herz-Kreislauf-Erkrankungen identifiziert. Konsequenz daraus war, dass wo immer möglich, Fett reduziert wurde. Leider ist Fett der Geschmacksträger schlecht hin, das heißt wird Fett reduziert, muss ein anderer Geschmacksträger hinzugefügt werden, sonst schmeckt es pappig. Und für gewöhnlich heißt dieser Geschmacksträger Zucker. Anders ausgedrückt: Fettarm heißt fast immer zuckerreich. Beispiel gefällig? Die „low-fat“-Variante einer amerikanischen Keksmarke hat gegenüber der Originalversion nur 2 Gramm weniger Fett, gleichzeitig aber 13 Gramm mehr Kohlenhydrate, wovon 4 Gramm Zucker sind. Nicht nur, dass die vermeintlich gesündere Version mehr Kalorien enthält, führt sie auch zu einer höheren Insulinausschüttung, mit dem Effekt, dass ein Gutteil der aufgenommenen Energie nicht dem Stoffwechsel zur Verfügung stehen kann und so vom Körper nicht einmal wahrgenommen wird. Selbst wenn man sich also bewusst gesund ernährt, ist man vor der Zuckerfalle und damit dem Weg ins Übergewicht keineswegs sicher.
Und übrigens: Die anfänglich erwähnten zusätzlichen 275 Kcal bei 10jährigen stammen trotz Fast Food nicht aus übermäßigem Fettkonsum, sondern aus Kohlenhydraten – speziell aus Getränken!
Mit sportlichen und gesunden Grüßen
Euer Mag. Rudi Nastl
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